Nachtwanderin
  - GEDANKENPERLEN -
 

VOM GEGENSATZ

Was gibt es Schöneres als schön?
Wie wäre mir bei all dem Schönen?
Der Schönheit Lieblichkeit im Blick...
ich würde mich wohl dran gewöhnen.

Was gibt es Schlimmeres als schlimm?
Was wäre, wenn das Unschön schwände?
Das Schöne wäre gleichwohl fort,
weil sich kein Gegensatz mehr fände.

Was gibt es Klügeres wie mich?
Dir schenke ich der Schönheit Ehre.
Der Anmut Wenigkeit sei meins,
damit ich ewig von dir zehre.

(Kerstin Magirius, 14. 01.2015)

ES

Du fragst, wie es fühlt.
Ich sag, wie es spricht.
Es ist, was es scheint
bevor es zerbricht.

Ich fühl, was es glaubt.
Du sprichst, was es sagt.
Wir sind, was es ist
auch wenn es nicht fragt.

(Kerstin Magirius, 21.02.2015)

ABERLASS

Aber und warum?
Münder fragen stumm.
Gräben tief geschürt...
Abers, die man spürt.

Aber und wohin?
Fragen nach dem Sinn.
Mauern hoch gedacht,
Kriege neu entfacht

Aber und wie lang?
Münder fragen bang.
Wieso, weshalb, wie weit?
Antwort gibt die Zeit.

(Kerstin Magirius, 25.02.2015)

VERDACHT

er
dachte
nach
weit
lang

bis
dann
und

 
er
dachte
laut
weil
sie 
schwieg

(Kerstin Magirius, 18.03.2015)

VOM FÜR UND WIDER
(zum Welttag der POesie)

Mensch muss schaffe ohne Ende,
stur und steif wie Besenstiel.
Schafft er nicht die Sollprozente
wird er schnell zum Abschussziel.

Mensch muss kuschen, möglichst kriechen
scheu und klein mit Lippenschurz.
Und sich möglichst gut verbiechen
vor dem allergrößten Furz.

Mensch muss dienen ohne Ende,
dass der Schnurz vom Furz sich mehrt.
Und ein Teil der Dividende
ihm den Monatslohn beschert.

Mensch muss dulden ohne Fragen,
manchen Furz braucht es zum Sein.
Ist ein Furz nicht zu ertragen
war sein Urheber ein Schwein.

(Kerstin Magirius, 21.03.2015)

LANDGANG

Weg vom Ufer,
weg vom Strand.
Reife lies die Ähren platzen.
Auf den Feldern 
feuchter Sand,
die Natur
wetzt Ihre Tatzen.

Zieht hinaus wie ich und du,
wird so schnell sich nicht mehr binden.
Hört dem Meer von weiten zu,
will ihr Dasein neu erfinden.

(Kerstin Magirius, 22.03.2015)

SELBSTLOS

Er glaubte sich fest,
er glaubte sich glauben.
Er wollte den Glauben
im Herzen verschrauben.

Er glaubte sich blind,
er glaubte zu wissen.
Bald war er mürbe,
im Herzen zerrissen.

So glaubt er noch heut,
er wähnt sich erkoren.
Doch hat er sein Selbst
im Glauben verloren.


(Kerstin Magirius, 03.04.2015)

ABRECHNUNG

In Zahlen ausgedrückt
reihen sich Worte
wie Nullen
hinter
dem Komma.

Wir zählen sie aus,
üben uns
im Hinterhersehen.

Allein der Gedanke,
wer bezahlt die Schuld?

Vor dem Komma
ein Wort nur,

wir.

(Kerstin Magirius, 09.04.2015)

EIN GEDANKE

Ich bin der Sohn von meiner Mutter,
bin die Tochter, die nicht lebt.
Ich bin das Kind, das wie ein Sandkorn
an der Ufernehrung klebt.

Ich bin der Traum von einem Sommer,
bin der Herbststurm jener Nacht.
Ich trag die Wintersaat im Herzen
und des Frühlings holde Pracht.

Ich bin das Nein, das doch geboren,
bin Zufall nur, ein Absichtslos.
Ich bin der Fußabdruck des Schicksals,
ein Gedanke, liebensgroß.

(Kerstin Magirius, 14.04.2015)

ZEITBLASE

Zeit platzt auf,
zerplatzte Zeit.
Unplatziert
setzt sie sich hin.
Viel zu schnell
läuft sie sich breit,
füllt den leeren Raum
mit Sinn.

Zeit fließt weg,
zerflossne Zeit.
Ungefragt
zerstiebt ihr Sein.
Viel zu schnell
entleert ihr Sinn
so, als wäre sie
nur Schein.

(Kerstin Magirius, 21. 04.2015)

(UN)WAHRHEIT

Sie schien so klar,
so wahrlich simpel,
dass der Geist sich auf sie stürzte
was ihr Sinnbild,
ihr Erscheinen
allem Anschein nach verkürzte.

Sie schien so trüb, 
so wahrlich sauer
weil der Geist sie laut verlachte,
dass ihr Sinnbild, 
ihr Erscheinen
allem Anschein nach verflachte.

Sie schaut heut klar,
so wahrlich simpel
in die Runde all der Narren,
die hohl und geistlos,
schier verblendet 
ach so zahlreich
um sie scharren.

(Kerstin Magirius, 24. April 2015)
 

HIN UND WEG

Zweigeteilt in oben, unten,
Wolkendeckenspiegelsee.
Hab ein Zwischending gefunden,
dass ich himmelerdig steh.

Farbenspiel von Licht und Schatten,
Seelentropfen blau und weiß.
Bin ein Himmelhöllenfeuer 
gleichsam brennend kalt und heiß.

Windgesang den Geist beflügelt,
Götterfunkensinnestrank.
Bin gelebt, belebte Masse, 
stets geweiht dem Untergang.

(Kerstin Magirius, 01.05.2015)

LÄUTERUNG

Das Geld fließt weg durch meine Hand.
Es gibt ein fühlbar magisch Band
zu Schweinen, die vom Wunsch besessen,
mein Vermögen aufzufressen. 

So bin ich bald ein armer Tropf,

bin voll im Herzen nur, im Kopf.
Die Schweine, die mein Geld verschmatzen
werden bald daran zerplatzen.

Welch Narr, der ich gewesen bin.

Mit Nichts bin ich doch ich, ich bin!
Und das gereicht, mehr braucht es nicht.
Reichtum mehrt sich durch Verzicht.

(Kerstin Magirius, 03.05.2015)

GEVATTER TOD

Mal kommt er still und leise,
dann laut und wie ein Knall.
Er bringt den stärksten Riesen,
den höchsten Berg zu Fall.

Er kommt wie ein Gewitter
wohl mitten in der Nacht.
Nur kurz lässt er sich nieder,
dann ist sein Werk vollbracht.

Sein kommen wirft oft Wellen,
wer mag der Fremde sein?
Er birgt wohl Angst und Schrecken,
doch Jeder lässt ihn ein. 

Als würde man ihn kennen,
als wäre er vertraut.
Als hätte man sein Kommen
ein Leben lang geschaut.

Der Tag wird es bekunden
beim nächsten, neuen Licht.
Im strahlenden Erwachen
zeigt er sein Angesicht

(Kerstin Magirius, 08.05.2015)

ZWEI BÄUME

Die Eiche laut zur Fichte spricht:
"Du bist zu weich für diese Welt.
Ein Windstoß und schon fällst du um,
es ist nicht gut um dich bestellt."

Die Fichte senkt das Haupt und fragt:
"Was nützt das Harte, das nicht fühlt?
Kein Sonnenstrahl durchbohrt dein Holz,
du bist von innen unterkühlt."

Ein Sturm zieht auf die Beiden zu.
Die Fichte biegt er, bis sie bricht.
Die Eiche steht allein nun da- 
gestanden zwar, doch mehr auch nicht.

(Kerstin Magirius, 15.05.2015)

STOPFZEIT

eingefädelt
zugeknotet
reingestochen
ausgelotet
durchgezogen
neu vermessen
Milch kocht über
während dessen
Handy klingelt
Oma quasselt
Türgong läutet
Regen prasselt
Rettungsanker
Ohrenpfropfen
wiederholtes 
Socke stopfen.
Loch anpeilen
Kopf justieren
Nadelspitze
anvisieren
Und dann - endlich
Faden ziehend
in die Dichterwelt
entfliehen.
Dicht und dichter
kreuz und quere
bis sie voll ist dann
die Leere.


(Kerstin Magirius, 22.05.2015)

DAS KLEINE HERZ

Das kleine Herz - es zittert leicht,
es bebt vor Angst so wie ein Blatt,
das den betagten Punkt erreicht
an dem es keinen Halt mehr hat.

Das kleine Herz - es lässt nun los,
es fällt und fällt so wie ein Stein.
Wer fängt es auf, wer liebt es groß,
das was sich fühlt darin so klein?

(Kerstin Magirius, 02.06.2015)

DEINE ZEIT

Es ist an Zeit
sagt die Zeit
wenn sie geht,
wenn sie lauter
als sonst
sich in dir 
regt
und sagt
was bleibt
wenn sich nichts mehr
dreht.
Es ist an der Zeit
sagt die Zeit
wenn sie
steht.
Dann bleibt keine Zeit.
Drum Mensch du -
Leb!

(Kerstin Magirius, 02.07.2015)

ERWACHEN

Europa macht, Europa kann, 
Europa will -  doch irgendwann
da will das Volk, das darin lebt,
das ungefragt an Dogmen klebt.

Es reist sich los, es sagt laut nein,
es wirft für wahr den ersten Stein.
Der weiß noch nicht wohin er soll.
Er fliegt und fliegt mit Donnergroll,

dass ganz Europa sich erschrickt
und einen fetten Drohbrief schickt:
"Wer Steine schmeißt ganz einfach so,
der wird sein Lebtag nicht mehr froh".

Nun wirft das Volk den nächsten Stein,
der holt den Anderen noch ein
an dem was man mit Größe misst.
Europa fühlt sich angepisst.

Was will, was bleibt Europa noch?
Der Stein reißt ein sehr großes Loch.
Ein Loch, das zweifelsfrei besticht
denn in das Dunkel dringt nun Licht.

Auch Regen, Sturm sind mit dabei.
Es spült hinfort, es reißt entzwei.
Kein Zweifel mehr, es ist vollbracht.
Europa, es ist aufgewacht.

(Kerstin Magirius, 09. Juli 2015)

 

TREIBHOLZ

einsamkeiten
streichen sich aus
wartend
am strand
hungrig
nach meer

abgelegte
zeit

(Kerstin Magirius, 10. Juli 2015)

SELBSTLAUF

Ich könnte wohl, doch will ich nicht
von Rosen, Tulpen, Nelken.
Die Welt verändert ihr Gesicht,
die letzten Blumen welken.

Ich würde gern, doch kann ich nicht
den Herbst mit seinem Wehen.
Die Welt entblättert, sie zerbricht...
ein letztes, lautes  Flehen.

(Kerstin Magirius, 13.Juli 2014)

ZULASSEN

Vom sicher und vom sicherlich…
man könnte sich drum streiten.
Vielleicht oder vielleicht auch nicht,
das Ja scheint zu entgleiten.

Und wenn dann doch, dann nur bedingt.
Kein Ganzes, nur ein Stückchen.
Doch immerhin, gerade so,
vom Glück verbleibt ein Glückchen. 

Das wird umhegt, gepflegt, poliert,
kein Huhn darf daran picken.
Denn so ein Glück, egal wie groß,
das lässt sich nicht mehr flicken. 

(Kerstin Magirius, 24.07.2015)

VERNETZT

Erlösung naht
kein Ungemach,
nur strömendes Verheißen.
Vom Himmel tropft
auf Berg und Tal
ein göttliches Lobpreisen.


Und siehe dort
das erste Licht,
der Tag hat sich ersponnen.
Er spinnt sein Netz
umspinnt auch mich,
die Nacht ist ihm entronnen.

(Kerstin Magirius, 25.07.2015)

VIELLEICHT

Vielleicht sind es zu viele Fenster
und dahinter zu viel Augen
die sich an die kalten Scheiben
ihrer Einsamkeiten saugen.


Zuviel Augen, zuviel Menschen
aus verschlossnen Fenstern starren.
An den viel zu dicken Mauern
mit dem Herzen kraftlos scharren.

(Kerstin Magirius, 26.07.2015)

VERGESSEN

Sie sitzen und gehen, sie liegen und warten,
ein stilles Vergessen im silbernen Garten.
Am Fenster die Blumen, sie duften noch immer,
blühen gestaltlos im lichthellen Zimmer. 

Sie sitzen und warten, sie schlafen im Gehen.
Sie wollen, sie können das Jetzt nicht mehr sehen.
Nur manchmal, da hört man sie weinen und lachen,
zollen dem Dasein ein kurzes erwachen.

Sie stehen und sitzen, sie warten und liegen.
Stunden und Tage und Wochen verfliegen.
Die Blumen am Fenster, sie duften noch immer
silbrig versponnen, mit welkendem Schimmer.

(Kerstin Magirius, 08.08.2015) 

IM WANDEL DER ZEIT

In allem, was die Welt gebiert 
bringt Chaos Neues stets ans Licht.
Ein Sturm fegt weg das Angesicht
der Ewigkeit, die sich verliert
 

in Gestern... nichts, das bleibt am Ort.
Der Mensch sucht sich im fremden Land,
das Heimat er zuvor genannt.
Der Sturm weht die Vertrautheit fort.

Doch bleibt die Chance ihm immerzu
zu bauen auf dem Acker gleich
ein neues, schönes Heimatreich,
das friedlich ebnet sich zum Du.

(Kerstin Magirius, 26.10.2015)

FALLSTRICK

Der Mensch hängt sich an Worte,
das Blatt hängt sich an Zweige.
Der Halt an Zweig und Worten
geht irgendwann zur Neige.

Dann sieht man beide fallen.
Kein Wort, das ewig bindet.
Kein Blatt, das ewig hängend
den Weg zur Erde findet.

So fallen Wort und Blätter....
Den wahren Halt im Leben
kann nur die eigne Richtschnur,
die Kraft zur Selbstheit geben.

(Kerstin Magirius, 08.11.2015)

SO TUN ALS OB

Ein Jeder kann es sehen,
ein Jeder sieht es kommen.
Und doch tut gern ein Jeder
als sähe er verschwommen.

Erst wenn es wird gewisslich,
dass alles klar im Grunde 
dann ist das was man wusste
schon lang in aller Munde.

Manch Unheil, das so fruchtet… .
Der Blick für wahres schauen
ist Jedem wohl gegeben,
man muss sich nur halt trauen.

(Kerstin Magirius, 18.11.2015)

EINFACH TIERISCH

Dämmert es dem Esel nicht,
welcher Ochse will es wissen?
Nicht ein Rindvieh auf der Erde
kann ein Friedenssegel hissen.

Schnattern auch die Hühner laut,
welcher Knallfrosch will sie hören?
Zuviel Schweine, die auf Bomben,
statt auf Hühnerschnattern schwören.

Kümmert nicht dem Wolf das Schaf,
wird der Adler trotzdem fliegen
und mit scharfen, spitzen Krallen
dann das fromme Lamm besiegen.

(Kerstin Magirius, 22.11.2015)

 
  163404 Besucher